Von Käsewürfeln, Leberwursttuben und raschelnden Leckerchentüten

Die Überschrift hat es dem ein oder anderen sicherlich schon verraten. In diesem Beitrag soll es um die positive Verstärkung gehen – und natürlich: um Leckerchen!

 

Die Idee dahinter

In der Lernpsychologie spricht man von positiver Verstärkung, wenn als Konsequenz eines Verhaltens etwas Angenehmes passiert und als Folge daraus das Verhalten häufiger auftritt.

Hierzu ein Beispiel: Sie halten Ihrem neu eingezogenen Welpen ein Leckerchen über den Kopf und dieser lässt sich auf den Po fallen, damit er seinen Kopf besser strecken und das Leckerchen im Blick behalten kann. In dem Moment, in dem er sitzt, bekommt er die Belohnung. Er lernt: Po am Boden lohnt sich.

Die Leckerchen fungieren als Verhaltensverstärker und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Hund sich von nun an öfter hinsetzt.

 

Die positive Verstärkung wird in allen möglichen Situationen eingesetzt, erfolgt aber auch oft unbewusst oder ganz ohne unser Zutun.

 

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit wir die positive Verstärkung gezielt für uns nutzen können?

-          Timing:
Timing ist (fast) alles! Bin ich zu langsam, kann der Hund die Verknüpfung nicht mehr herstellen oder wird im ungünstigsten Fall für ein unerwünschtes Verhalten bestätigt. Merke: Sie haben etwa 0,5 bis 1,5 Sekunden Zeit, um den Verstärker einzusetzen.

-          Die Belohnung muss auch aus Hundesicht eine Belohnung sein:
Der ein oder andere Kunde kennt bereits den Satz von mir „Kopf tätscheln ist keine Belohnung!“

Auch wenn wir Menschen gerne Hunde anfassen und streicheln und ja auch den Kopf tätscheln, die meisten Hunde sind wenig angetan davon, am Kopf angegrabscht zu werden. Wenn man genau hinschaut, erkennt man, ob es für den Hund eine Belohnung ist oder nicht. Und nur, wenn es sich um eine Belohnung handelt, wird der Hund das entsprechende Verhalten auch häufiger zeigen. Empfindet er es jedoch als unangenehm, reden wir hier von einer positiven Strafe, und damit laufen Sie Gefahr, dass das Verhalten weniger wird.

-          Die Belohnung muss zur Situation passen:

Nehmen wir einmal an, mein Hund findet Käsewürfel, Rennspiele und Bauch kraulen ganz toll. Wenn mein Hund gerade dabei ist, einem aus dem Gebüsch gesprungenen Hasen hinterherzulaufen und er dennoch auf mein Rufen hin umkehrt und auf mich zugerannt kommt, dann kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Bauchkraulen nun die passende Belohnung für ihn ist. Denn was würde mein Hund in dieser Situation am liebsten tun? Genau, am liebsten würde er weiter dem Hasen hinterher hetzen. Das heißt, dass in diesem Fall die Belohnung idealerweise etwas mit hetzen zu tun hat. Hier würde sich ein Rennspiel anbieten oder etwas zu werfen (vielleicht sogar einen Hasendummy oder auch einfach einen Apfel, der am Weg liegt), dem der Hund hinterhetzen kann. Man kann auch ein paar Leckerchen in die Laufrichtung werfen, denen der Hund hinterspurten kann.
Was Sie brauchen ist gutes Wissen darüber, was eine wirkliche Belohnung für Ihren Hund ist und in welcher Situation welche Belohnung die Passende ist.

-          Trainingsdauer:
Auch das beste Leckerchen wird Ihnen nichts nützen, wenn Sie schon hundertmal von Ihrem Hund das „Sitz“ verlangt haben. Auch mich kann man irgendwann nicht mehr mit meinen Lieblingschips ködern.
Deshalb: kleine Einheiten, passende Bestätigungen und Pausen nicht vergessen.

 

 

WICHTIG! Es muss nicht immer Futter sein

Den meisten Menschen fällt natürlich sofort das Futter ein, wenn es um positive Verstärkung geht. Doch es gibt viele andere Arten seinen Hund zu bestätigen. Vor allem bei denjenigen, die keinen sonderlich futteraffinen Hund haben, ist Kreativität gefragt.

Hier mein Tipp: Was macht Ihr Hund beim Spaziergang? Welches Verhalten zeigt er von sich aus und erfreut sich daran? Können Sie sich das zunutze machen und als Belohnung einsetzen? Als mein Rüde ein Welpe war, hat er im Wald gerne die Brombeeren von den Sträuchern gepflückt und gefressen. Also habe ich ihm beim Rückruf immer gezeigt, wo der nächste Strauch ist, damit er sich dort bedienen konnte.

Hier noch ein paar Ideen für Belohnungen:  gemeinsam spannende Schnüffelstellen untersuchen, wild über das Feld rennen, einen gefundenen Apfel werfen, den Hund zu seinem entgegenkommenden Hundekumpel schicken, zusammen durch einen Bachlauf waten.

Auch ein Lob, ein Kopfnicken, ein kurzer Blickkontakt oder eine kurze Berührung sind Belohnungen.

 

Und wenn es doch das Futter ist:

Auch hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten - nicht nur bei der Wahl des Futters sondern auch der Darreichungsform. Ein Leckerchen muss nicht immer aus der Hand gegeben werden. Ein Leckerchen kann über den Boden gerollt werden, es kann geworfen werden, es kann aus der Luft geschnappt werden, es kann versteckt werden, es kann an einen Ast gesteckt werden, es kann ins Wasser geworfen werden oder in einen Bachlauf, es kann ins hohe Gras oder in einen Laubhaufen fliegen, usw.

 

Belohnung oder doch eher Bestechung und Ablenkung?

-          Bestechung

Ich höre immer mal wieder die Aussage, der Hund sei bestechlich. Der Begriff der Bestechung ist im allgemeinen Sprachgebrauch negativ besetzt (oft gleichbedeutend mit Korruption) und stellt eigentlich einen Straftatbestand nach dem StGB dar (nämlich: „Straftaten im Amt“). Dem Hund Bestechlichkeit zu unterstellen ist abwertend und auch nicht korrekt, da der Hund keine Ahnung von menschlichen Moralvorstellungen hat.
Wenn ich mit einem Leckerchen in der Hand wedele, damit der Hund zu mir kommt, dann würde ich von „locken“ reden, nicht von Bestechung. Das Locken kann in manchen Situationen hilfreich sein, ersetzt aber kein Training. Es sei denn, ich bin damit zufrieden, dass der Hund manche Dinge nur tut, wenn ihm vorher gezeigt wird, was er dafür bekommt – was auch völlig ok ist.

-          Ablenkung
Ganz wichtig: Ablenkung ist kein Training!
Allerdings kann Ablenkung helfen Rückschritte im Training zu vermeiden und kritische Situationen zu entschärfen.  Wenn ich zum Beispiel gerade mit meinem Hund entspannte Hundebegegnungen üben möchte und plötzlich ein Hund auftaucht, der für das Training bereits zu nah ist, würde ich Leckerchen streuen, damit mein Hund den anderen Hund gar nicht erst bemerkt, bis dieser wieder eine größere Distanz erreicht hat. Das hat keinen Trainingseffekt. Es ist Ablenkung. Gleichzeitig habe ich mir aber auch nicht das Training wegen Distanzunterschreitung kaputt gemacht. So kann ich bei der nächsten Hundebegegnung mit meinem nach wie vor entspannten Hund weitertrainieren. Das wäre vermutlich nicht der Fall, wenn mein Hund den anderen Hund bemerkt hätte und aufgrund der Nähe ausgerastet wäre.

 

Aber er soll doch meinetwegen hören!
Ja, genau. Der Hund ist nur auf der Welt, um uns glücklich zu machen und uns jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Natürlich läuft der Hund gerne im Bei-Fuß, ignoriert jede Duftspur, schaut dabei verträumt zu uns hoch und das alles nur, weil er uns so sehr liebt. Seine Liebe zu uns ist so groß, dass er die Biologie ignoriert und statt dem Reh hinterher zu rennen bei uns bleibt. Denn die größte Belohnung für ihn ist der Mensch selbst.
Zurück in der Realität angekommen werden Sie feststellen, dass Ihr Hund genauso wie Sie Bedürfnisse hat und sein Verhalten von vielen Faktoren bestimmt wird z.B. davon, was sich für ihn besser anfühlt: dem Reh hinterher zu hetzen oder am Knie des Menschen klebend diesen anzuhimmeln.

 

Hunde möchten mit uns zusammenarbeiten, sie möchten kooperieren. Darauf hat sie der Mensch über Jahrhunderte, sogar Jahrtausende selektiert. Doch das darf keine Einbahnstraße sein. Der Hund muss dafür etwas zurückbekommen. Je länger man mit seinem Hund zusammenlebt, zusammen schwierige Situationen meistert, gemeinsam spazieren geht, gemeinsam Spaß hat, die Welt zu erkunden und aufeinander achtet, desto mehr merkt man, dass der Hund vieles auch bereitwillig mitmacht, weil er einfach gerne mit seinem Menschen zusammen ist.

 

Doch Verhaltensweisen, die der Hund so nicht ausführen würde (z.B. das Bei-Fuß-Kommando) oder die gegen seine Natur als Beutegreifer sind (z.B. wegrennendem Wild NICHT hinterherhetzen), müssen verstärkt werden, um die Wahrscheinlichkeit des Ausführens zu erhöhen. Der Hund sieht keinen Sinn darin, sich auf Kommando hinzusetzen. Erst die Aussicht auf Belohnung (und kontinuierliches Training) führen zum Erfolg. Zeigt der Hund dann das vom Menschen erwünschte Verhalten, sollte dies auch honoriert werden. Und das mache ich, indem ich meinen Hund belohne – wie auch immer diese Belohnung aussieht.

 

 

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