Das Kommando "Sitz"

Mit einem Monat Verspätung schauen wir uns nun endlich der Deutschen liebstes Kommando an: das „Sitz“, und ob es mit Recht auf Platz 1 der Kommandos steht.

 

1. Wie oft sitzen Hunde wirklich?
Beginnen wir mit dem natürlichen Verhalten eines Hundes. Wann setzt sich Ihr Hund von sich aus hin ohne, dass Sie ihm das Kommando „sitz“ geben und ohne, dass er etwas von Ihnen möchte (und sich vorsorglich schonmal hinsetzt, da er gelernt hat, dass das Sitzen seine Chancen steigert)?

Den größten Teil des Tages verbringen Hunde liegend, wenn sie nicht gerade stehen, gehen oder rennen. Es gibt nicht sehr viele Situationen, in denen ein Hund sich von sich aus hinsetzt. Hunde nehmen diese Position zum Beispiel ein, wenn sie etwas beobachten möchten (mein Rüde sitzt abends gerne auf der Terrasse und schaut in den Garten), wenn sie mit einer Situation überfordert sind (das kann man gut bei Welpen beobachten, die beim Spaziergang zu vielen Reizen ausgesetzt sind) oder wenn ein Rüde einer Hündin zu aufdringlich wird (hier ist bei einigen Hündinnen die Strategie: hinsetzen, dann schnuppert es sich nicht mehr so leicht).

Halten wir also fest: das Sitzen wird zwar von Hunden gezeigt, aber Stehen und Liegen werden bevorzugt.

 

2. Wenn also bei Hunden das Sitzen nicht so beliebt ist, warum ist es das bei den Menschen?
Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Auch das Internet konnte mir bei der Beantwortung der Frage nicht helfen. Wer hier eine Antwort liefern kann: bitte Kontakt mit mir aufnehmen.

 

Meine Theorie: Es ist eine Mischung aus Gruppenzwang und „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Da überall betont wird, wie wichtig das Kommando ist, bringt jeder seinem Hund es als Erstes bei ohne groß darüber nachzudenken. Zusätzlich ist es ein sehr leicht zu erlernendes Kommando.

 

3. Brauchen wir überhaupt das Sitz-Kommando?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich privat das „Sitz“ so gut wie nie verwende. Meine Hündin hat von uns noch nie das Kommando „sitz“ gehört (ja, wir leben noch und Amy feiert im Oktober ihren 11. Geburtstag) und bei meinem Rüden fordere ich es relativ selten ein.

Hier ein paar Situationen, in denen typischerweise das „Sitz“ verwendet wird, ich allerdings andere Herangehensweisen empfehle:

a)     „Sitz“ am Straßenrand: Hier verwende ich ein „Warte“ (das entspricht einem „Steh“). Schließlich setze ich mich auch nicht hin, bevor ich die Straße überqueren möchte. Außerdem hat das „Steh“ den Vorteil, dass ein Hund dieses fast immer ausführen kann, wohingegen das „Sitz“ bei Nässe, Schnee, heißem oder kaltem Asphalt oder Gelenkproblemen zu einem Thema werden kann. Dann fange ich plötzlich an, mit meinem Hund zu „diskutieren“, ob er sich setzt und bis er es dann endlich gemacht hat, muss er auch schon wieder aufstehen und es geht weiter.

b)      „Sitz“ vor dem Futternapf: auch hier gilt  - warum soll sich der Hund setzen, wenn er doch sowieso im Stehen frisst? Daher empfehle ich bei aufgeregten Hunden ein „Steh“ oder, wenn der Hund auf Distanz warten soll, ein „Bleib“ (hierbei kann er stehen, sitzen, liegen, solange er auf dem ihm zugewiesenen Platz bleibt). Bei Hunden, die entspannt sind und nicht penetrant werden, während das Futter zubereitet und auf den Platz gestellt wird, würde ich überhaupt kein Kommando verwenden. Warum auch? Der Hund zeigt ja schon erwünschtes Verhalten.

c)       „Sitz“ wenn man beim Spaziergang stehenbleiben und sich unterhalten möchte: hier empfehle ich grundsätzlich kein Kommando, sondern ich belohne den Hund anfangs regelmäßig für ruhiges Verhalten. Mit der Zeit versteht er, dass er chillen kann, während sein Mensch sich unterhält. Viele Hunde legen sich nach kurzer Zeit hin, weil sie wissen, dass das Ganze länger dauert.

d)      „Sitz“ beim An- oder Ableinen: auch hier gilt wie am Straßenrand oder beim Futternapf, dass sich ein „Steh“ besser eignet, da sowieso im nächsten Moment weitergelaufen wird.

e)      „Sitz“ bei einer Hundebegegnung: Je nach Art des Kontaktes, gebe ich entweder kein Kommando und lasse meinen Hund das selbst regeln ODER ich führe meinen Hund mit einem „weiter“ aus der Situation ODER ich gebe meinem Hund ein „warte“, um ihn kurz zur Ruhe kommen zu lassen und ableinen zu können, damit er anschließend den anderen Hund begrüßen kann. Ein „Sitz“-Kommando bringt manche Hunde in eine Konfliktsituation. Zum Einen möchten sie das Kommando ausführen, zum anderen möchten sie adäquat auf die Begrüßung des anderen reagieren, was im Sitzen in der Regel nicht möglich ist.

 

Warum sich das „Steh“ bislang nicht etabliert hat? Ich vermute, weil den meisten nicht klar ist, wie man ein sauberes „Steh“ aufbaut. Ein „Sitz“ hingegen scheint viel leichter zu sein. Oft ziehen die Hunde zu ihren Familien und beherrschen das Kommando bereits. Sei es, weil es schon beim Züchter geübt wurde oder weil es Gassigänger/Mitarbeiter im Tierheim trainiert haben oder weil Straßenhunde gelernt haben, dass sie am meisten Futter abgreifen, wenn sie sich setzen und dabei noch ihren berühmten Hundeblick zeigen.

 

Ich möchte hiermit nicht das „Sitz“ verteufeln, denn es kann für manche Mensch-Hund-Teams und bestimmte Situationen ein sinnvolles Kommando sein. Hier ein paar Beispiele:

a)       Da das „Sitz“ so unglaublich beliebt ist, können Hunde dieses aus dem Effeff. Wenn man also möchte, dass der Hund auch bei größerer Ablenkung an einem Fleck bleibt, ist das „Sitz“ oft das Mittel der Wahl, da alle anderen Kommandos sind ausreichend trainiert sind, um das zu erreichen.

b)      Viele Hunde verbinden das „Sitz“ mit Ruhe. Wenn es also einmal turbulent zugeht und der Hund aufgeregt ist, kann man ihn mit diesem Kommando wieder etwas „herunterfahren“.

c)       Gerade weil Hunde das „Sitz“ als Ruheposition verknüpft haben, nutze ich das Kommando gerne, um hieraus das „Bleib“ aufzubauen. Später lasse ich das „Sitz“ einfach weg und gebe dem Hund nur noch das „Bleib“, egal in welcher Position er sich gerade befindet.

d)      Manche Hunde können im „Sitz“ eine stressige Situation besser durchstehen, weil sie gleichzeitig gelernt haben, dass ihr Mensch bei ihnen bleibt und sie schützt.   

 

Fazit:
Sie merken schon: allein das „sitz“ bringt Ihnen nichts. Es kommt darauf an, was der Hund gleichzeitig mit dem „sitz“ lernt z.B. zur Ruhe kommen, sich sicher fühlen, etc.

 

Generell finde ich, dass das „Sitz“ absolut überbewertet ist, in den falschen Situationen verwendet wird, nicht korrekt aufgelöst und damit unbrauchbar ist und teilweise von Hunden verlangt wird, die sich generell nicht gerne setzen (weil ihr Körperbau einfach nicht zum Sitzen gemacht ist), Schmerzen haben oder es ihnen in dieser Situation unangenehm ist.

 

Ich erinnere mich noch, dass die bekannte norwegische Hundetrainerin Anne Lill Kvam bei einem Seminar, das ich 2015 besuchte, sagte, sie würde nie mehr einem Hund das „Sitz“ beibringen. Soweit würde ich nun nicht gehen, dennoch halte ich in den meisten Situationen andere Kommandos für sinnvoller.

 

Was machen Sie jetzt mit dem ganzen Wissen und einem Hund, der das „Sitz“ schon sehr gut kann?

Wenn Ihnen das Kommando das Leben erleichtert, Ihr Hund es freudig und zuverlässig ausführt ohne Anzeichen von Schmerzen, dann bleiben Sie dabei  - bis es sich für Sie/Ihren Hund nicht mehr gut anfühlt. Parallel dazu empfehle ich Ihnen, zu hinterfragen, ob das „Sitz“ wirklich genau das ist, was Sie möchten oder ob es nicht etwas Passenderes gibt. Oft bietet es sich an, Ihrem Hund die Wahl zu lassen, ob er stehen, sitzen oder liegen möchte. Er wird schon die bequemste Position für sich finden und in einer bequemen Position lässt es sich länger aushalten als in einer Unbequemen.

 

 

Wie immer gilt: bleiben Sie kreativ. Man kann auch super mit einem „Pfote“ aus dem Stehen heraus die Aufgeregtheit reduzieren – und im Stehen „Pfote“ zu geben ist dazu noch eine super Physioübung. 😊

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